Oestrich im November 2014

„…2014 war wahrlich ein Jahr, das man in zwei Hälften geteilt sehen kann. Die erste Hälfte war zu warm, aber vor allem zu trocken. Und die zweite Jahreshälfte war sehr verregnet. Ein Niederschlagsdefizit von 85 mm von Anfang Juni wurde bis Mitte September zu einem Überschuss von 80 mm im langjährigen Vergleich. Verrückt. Im Juli und August fiel mehr als das Doppelte der normalen Monatssummen an Regen. Die Böden war voll mit Wasser. Um zu vermeiden, das all das Wasser von der Rebe in die Trauben transportiert würde, ließen wir unsere Begrünung lange hoch stehen, damit sie möglichst viel der Wasservorräte aus den Boden aufnehmen konnte. Ganz ließ sich die Wasseraufnahme in die Trauben aber nicht drosseln.

Es war in dieser labilen Phase egen Ende September, als sich die außergewöhnlich hohe Insektenpopulation bemerkbar machte. Eine Folge des vergangenen milden Winter. Besonders heikel waren die Wespen, die an den Beeren knabberten und Infektionsstellen für Essigbakterien bildeten. Essigfliegen infizierten aber auch die Botrytisbeeren. Wir konnten nicht länger warten. Unsere 30 Mann starke Lesemannschaft war bereit. Wir teilten die Mannschaft in zwei Gruppen. Die erste Gruppe ging vorne weg und schnitt alle Essiginfektionen großzügig heraus. Diese Trauben haben wir aus dem Weinberg getragen und auf den Komposthaufen gebracht. Die Essiginfektion sollte nicht einfach auf dem Boden liegen bleiben und eventuell von dort aus weiter wuchern können. Die zweite Gruppe las alle Botrytis-Trauben heraus, so dass nach unseren Durchgängen nur noch gesunde Trauben im Weinberg hingen. Mit dieser Strategie gingen wir durch unsere Weinberge und gewannen wertvolle Tage. Es sah so aus, als liefe uns die Zeit davon. Dass wir trotz aller mobilisierten Kräfte nicht schnell genug sein könnten, um unsere Trauben gut nach Hause zu bringen….Gleichzeitig waren die Mostgewichte eher verhalten im Kabinettbereich, also zwischen 75° und 83° Oechsle. Ein Wert der in unseren Köpfen sicherlich noch zu viel Kraft hat. Denn letztendlich sind es die Unterschiede, die eine Jahrgangscharakteristik ausmachen. Entscheidender als eine Handvoll klischeebehafteter analytischer Werte ist die tatsächliche Aromatik der Trauben und des Mostes, die wir mit Gefühl probieren. 2014 hat in dieser Hinsicht eine tolle Eigenständigkeit, schon jetzt spüren wir, wie sich der Charakter der jungen Weine mit jedem Tag weiter aufbaut und entfaltet….“