Was ist Naturwein? – Decanter Magazine, Artikel von Isabelle Legeron MW, September 2011
…“Was genau ist eigentlich Naturwein? Woher stammt er; warum ruft er solch vehemente Reaktionen hervor? Und handelt es sich um eine kurzlebige Modeerscheinung oder hat er wirklich eine Zukunft?
…Naturwein gibt es aber schon seit ewigen Zeiten. Als man Wein vor 8.000 Jahren zum ersten Mal herstellte, wurden nicht Unmengen an Hefen, Vitaminen, Enzymen und Mega Purple beigemischt oder mit Umkehrosmose, Cyro-Extraktion und Tanninpulver gearbeitet – um nur einige der vielen Zusätze und Verarbeitungsmethoden zu nennen, die weltweit zum Einsatz kommen. Die Weine jener Zeit waren naturbelassen: Man presste Trauben und vergor sie zu Wein.
Die Naturweinbewegung hingegen ist ein relativ neues Phänomen. Diese Bewegung ist nicht einzelnen Personen zuzuschreiben, vielmehr trugen Dutzende dazu bei, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Weinanbau und Kellerarbeit zunehmend industrialisiert wird….Obwohl es sich um ein weltweites Phänomen handelt, stammen die meisten Winzer, die für eine Rückkehr zum Weinberg (und weg vom Einsatz von Technologie und Manipulation) plädieren, aus den Weinzentren der alten Welt, wie Frankreich und Italien. Den Biodynamik-Experten Monty Waldin, der Wein sowohl in Europa als auch in der Neuen Welt gemacht hat, überrascht das nicht. „Weine aus der Neuen Welt“ sind mit Hilfe von Technologie erfolgreich geworden – insbesondere mit einer langen, kühlen, temperaturgesteuerten Gärung, oft in riesigen Stahltanks für fruchtbetonte Weine…Naturweinherstellung ist das komplette Gegenteil davon. Weinkellereien in der Neuen Welt setzten von Anfang an auf Technologie, fügt Waldin hinzu, denn es fehlte an Erfahrung, und die Strategie war, im Weinberg und im Keller zu intervenieren, um Risiken auszuschalten.“
…Anstatt die Wissenschaft zu nutzen, um bei der Weinherstellung möglichst wenig einzugreifen, setzen wir sie ein, um vollständige Kontrolle über jede Stufe im Prozess zu gewinen – vom Anbau der Trauben bis zur Weinherstellung selbst. Sehr wenig wird der Natur überlassen. Das ist der entscheidende Punkt, der Naturweinbauern von anderen unterscheidet.